Eindrücke von der Studienfahrt nach Auschwitz (2015)
Die Reise nach Ausschwitz war eine einzigartige Erfahrung, die jeder einmal gemacht haben sollte und die keiner bereut. Wir haben sie gemacht und ich denke, jeder hat etwas gelernt: nicht nur über die Vergangenheit, sondern auch über die Zukunft. Alle Teilnehmer sind an dieser Fahrt gewachsen.
Abfahrt an einem geschichtsträchtigen Tag
Mit gepackten Taschen ging es am 30. Januar 2015 um kurz vor sieben Uhr endlich los. Schon auf der Busfahrt merkte man, wie aufgeregt alle waren; es wurde viel geredet und gelacht. Als wir spätabends im Zentrum für Dialog und Gebet (CDIM) ankamen, waren wir alle sehr kaputt und hungrig. An diesem Abend ging der Großteil früh schlafen, um für den morgigen Tag genug Energie zu haben.
Erste Begegnung mit dem Grauen
Der erste Tag war wohl der härteste, nicht nur wegen den äußeren Bedingungen, sondern viel mehr wegen all den Eindrücken, wegen des Gefühls, das einen durchfuhr, als man durch das Tor ging, durch das bereits tausende Menschen vor mehr als 70 Jahren auch eintraten, aber nie wieder austreten konnten. „Arbeit macht frei“ ist das erste, was man sieht. Es ist zudem der wohl bekannteste Spruch, wenn man an Auschwitz denkt. Ist man vor Ort, dann merkt man erst, was Arbeit unter diesen Bedingungen eigentlich bedeutet. Alles sah gleich aus, Baracke für Baracke und doch hatte jede Baracke eine eigene Geschichte zu erzählen.
Anlässlich der 70-Jahr-Feier der Befreiung, gab es in den einzelnen Baracken besonders viel zu sehen. Verschiedene Länder hatten in Gedenken an die Verstorbenen eine persönliche Ausstellung errichten lassen. Jede Ausstellung berührte die Besucher; jede einzelne setzte einen anderen Schwerpunkt, der die Grausamkeit verdeutlichte.
Für den Nachmittag gab es die Option, um die Außenmauern des Stammlagers, mit einem Halt an der Villa von Rudolph Höß, zu gehen. Der „Spaziergang“ machte uns klar, dass nur einen Meter hinter der Mauer, ein friedliches Leben geführt wurde, ein Leben, wie wir es auch heute noch führen, mit dem Wissen, dass gar nicht weit weg Leben zerstört wurden. Abends reflektierten wir unsere Erlebnisse. Wir haben zwar alle das Gleiche gesehen, und trotzdem hat jeder etwas anderes gefühlt. Jeden hat etwas anderes besonders bewegt. Aus diesem Grund war die tägliche Gesprächsrunde meist eines der besten Erlebnisse. Denn man hatte die Zeit zu reflektieren und seine Gefühle zu sortieren und nachzuspüren, was man vielleicht viel zu kurz gespürt hat. Die Zeit nach den Runden verbrachten wir meistens in Gemeinschaft und nach jedem Tag wuchs die Gruppe mehr zusammen und die Abende wurden herzlicher und schöner.
Am Ort der Vernichtung
Am Sonn- und Montag trafen wir uns gegen 9 Uhr, um mit dem Bus zur „Alten Judenrampe“ zu fahren. An der Alten Judenrampe gab es nicht mehr viel zu sehen, doch trotzdem war es berührend zu sehen, dass viele Menschen an diesen Ort kamen, um den Juden, die auf den langen Strecken in den Viehwaggons ihr Leben ließen, zu gedenken. Unser Weg führte an den Schienen entlang direkt zum Vernichtungslager Birkenau. Doch schon beim Betreten des Geländes merkten wir alle, dass Birkenau sich doch nochmal erheblich vom Stammlager unterscheidet. Die Atmosphäre war ganz anders, alle waren viel angespannter, weil wir alle wussten, dass in Birkenau industrieller Massenmord durchgeführt wurde. In den einzelnen Baracken war es kalt und ungemütlich. In der Sauna lief einem ein kalter Schauer über den Rücken, wenn man sich umsah und die Stufen der Desinfektion durchlief, die ein Häftling durchlaufen musste, wenn er nicht sofort getötet wurde. Am Ende des Durchgangs gelangte man in einen großen Saal, in dem viele Fotos von Familien ausgestellt waren, die ihr Leben genossen haben, gereist sind und geheiratet haben, bevor sie ins Lager inhaftiert wurden. Wir hörten auch noch eine sehr bewegende Geschichte von einer überlebenden Jüdin, die ursprünglich aus Köln kam, und noch ein junges Mädchen war, als sie im Lager ankam Als verletzte junge Frau verließ das Lager wieder, mit Wunden, die niemand heilen kann. Zu sehen, wie Leben zerstört, Familie auseinandergerissen wurden und mit welcher Grausamkeit Menschen andere unschuldige Menschen, ermordeten und folterten, war unfassbar und erschreckend zugleich.
Die Überreste der Toten waren überall zu finden, die Asche der verbrannten Leichen wurde in sogenannte „Ascheteiche“ gestreut. Schon der Gedanke daran ist furchtbar und dann auch noch dort zu sein und das „klare Wasser“ zu sehen und zu wissen, wie unrein es doch eigentlich ist, zu merken, dass nichts so ist, wie es scheint. Um den Toten unsere Ehre zu sen, stellten wir ein paar Kerzen auf und dachten an all die vielen Menschen die unschuldig waren und mit dem schlimmsten bestraft wurden. In Birkenau gab es auch öfters Momente der Stille, in denen jeder in sich ging und die Eindrücke auf sich wirken ließ. An einem Nachmittag besuchten wir das jüdische Zentrum in Auschwitz, den Friedhof und schauten uns die Synagoge an. Am anderen Nachmittag besichtigten wir eine Ausstellung des Künstlers Marian Kolodziej (Häftling Nr. 432). Die Bilder waren alle sehr düster und die Gefühle und Erinnerung, die der Überlebende hatte, als er die Bilder malte, waren schon beim Ansehen der Bilder zu spüren. Die Bilder zeigten uns die Zeit im Lager aus seiner Sicht und es war eine kleine Zeitreise zurück, eine Zeitreise, die man so schnell wie möglich wieder beenden will und dennoch nicht aufhören kann die Bilder in sich aufzunehmen.
Persönliches Innehalten und Aufenthalt nach Krakau
Der Tag darauf war unser Abreisetag nach Krakau. Nach dem Mittagessen ging es los. Davor durften wir am Vormittag das Stammlager nochmal selbstständig besichtigen, um vielleicht für uns alleine besser innehalten zu können und im eigenen Tempo die einzelnen Ausstellungen zu besichtigen. Zudem gab es die Möglichkeit mit einem Shuttleservice nach Birkenau zu fahren, um nochmal das Vernichtungslager anzuschauen. Die Ausstellungen waren beeindruckend- ich persönlich fand die Ausstellung der Sinti und Roma sowie die Israelausstellung sehr gut.
Die Fahrt nach Krakau dauerte etwa 90 Minuten und alle waren froh als man endlich seine Zimmer beziehen und sich hinlegen konnte, denn die Tage in Auschwitz waren sowohl mental als auch physisch sehr anstrengend und belastend gewesen. Am Mittwoch hatten wir eine super Stadtführerin, die die tollsten Ecken von Krakau zeigte und von der jahrtausendlange Geschichte dieser schönen Stadt erzählte. Krakau war eine Stadt gewesen, in der viele Juden gelebt hatten. Es gab einen König, König Kazimierz, der sehr offen gegenüber den Juden war. Es gab sogar ein eigenes Viertel für die Juden. Dort gab es vier Synagogen, jüdische Friedhöfe und viele weiter Dinge, die auf das jüdische Leben, das vor 100 Jahren noch so präsent war, aufmerksam machten. Wir gingen auch in eine Synagoge, lernten viel über die jüdische Kultur und über jüdische Bräuche. Oft gab einem das Wissen über die jüdische Kultur, eine Erklärung für manche Bestrafung, die im Lager passierten. Die Rasur der Haare zum Beispiel war ganz klar eine Demütigung. Doch für einen Jüdin ist es noch viel schlimmer, da die Haare die Kopfbedeckung sind, wenn sie beten. Ohne Kopfbedeckung ist es im Normalfall nicht üblich zu beten oder in die Synagoge zu gehen, deswegen tragen die Männer auch immer eine Kippa.
Wir sahen zudem noch die Burg Wawel, die Marienkirche am Alter Markt, das Schindler Museum, das auch sehr ansprechend aufgebaut ist und den alten Standort der Fabrik Schindlers. Am letzten Abend waren viele noch lange wach, um mit anderen Gemeinschaft zu haben und zusammen zu sitzen, da die eine Woche doch ziemlich zusammen geschweißt hat. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge traten wir dann pünktlich um 8:15 Uhr, am Freitag, die Rückfahrt an.
(Maren Bohl)