Präsentationsabend der Gedenkstättenfahrt 2019
Unter dem Motto "NIE WIEDER AUSCHWITZ - nur ein frommer Wunsch oder eine bleibende Aufgabe?" haben im Frühjahr 2019 dreißig Schülerinnen und Schüler der Oberstufe des Hansa-Gymnasiums Köln eine Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz und Krakau unternommen.
Ihre Erlebnisse und Auswertungen haben sie in beeindruckender Weise in Wort, Bild und Film auf dem Präsentationsabend Mitte November 2019 in der Aula des Hansa Gymnasiums Köln präsentiert. Durch einen multimedialen Vortrag von Dr. Christoph Busch aus der Abteilung für Verfassungsschutz vom Ministerium für Inneres und Kommunales in NRW wurde eine Brücke in die Gegenwart geschlagen.
Zu Beginn zeigten die Schüler Henry, Malte, Jan und Paul (Q1) ihren Film zur Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz und Krakau. Der Oberstufenchor unter der Leitung des Musiklehrers Rudolf Eles gestaltete das musikalische Rahmenprogramm mit bewegenden Liedern. Julian (Q1) improvisierte auf seiner Handpan und sorgte mit seinen Klangbildern für eine ganz besondere Stimmung zwischen den einzelnen Gedichten, Tagebucheinträgen und Essays, die von Teilnehmenden dieser Gedenkstättenfahrt vorgetragen wurden. Zugleich wurden immer wieder die von Schülerinnen und Schülern gezeichneten Bilder, auf denen sie ihre nachwirkenden Erfahrungen verarbeitet haben, an die Leinwand projiziert.
In ihrem Gedicht „Ein Meer” beschreibt Kim (Q1) die unvorstellbaren Qualen und die Verzweiflung der Häftlinge von Auschwitz, denen sie als Besucherin der Gedenkstätte „so unendlich hilflos” gegenübergestanden hätte. Daria (Q1) hatte sich im Vorfeld der Reise mit einem jüdischen Mädchen beschäftigt, die in Auschwitz ermordet wurde. In stillem Gedenken an einen Menschen hatte sie dann wie viele ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler auch einen Stein für Lilly auf dem Gelände von Auschwitz Birkenau abgelegt. So beschreibt Daria in ihrem Gedicht „Für Lilly” ihre Suche nach den Orten, an denen sich Lilly aufgehalten haben könnte - der Rampe von Auschwitz, der sogenannten „Sauna”, den Krematorien und einem der vielen Ascheseen. Sie findet den Namen von Lilly Blumenthal schließlich in dem großen Totenbuch der Millionen Menschen, die der Shoah zum Opfer fielen.
Den Schülerinnen und Schülern ist es ein wichtiges Anliegen, ihre Erfahrungen und nachwirkenden Gedanken aus der Gedenkstättenfahrt einer breiten Öffentlichkeit mitzuteilen, um „neuem grundlosen Hass entgegenzuwirken, um zu verhindern, dass dieses Denken erneut solche Ausmaße entwickelt", so Maria-Laura (Q1) in der gut gefüllten Aula des Hansa-Gymnasiums.
Hier knüpfte Dr. Christoph Busch mit seinem Vortrag „Alte Menschenverachtung im neuen Gewand: Aktuelle Erscheinungsformen des Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen“ an. Heute würden extremistische Ideologien in den unterschiedlichsten Formen verbreitet - seien es Karikaturen über die Menschheit mit verachtenden Symbolen, extremistische Texte getarnt hinter bekannten und beliebten Musiktiteln oder Videos der rechtsextremistischen Gruppierungen.
Dr. Busch sprach hier von einem Prozess der „Entgrenzung des Rechtsextremismus“ und machte deutlich, dass es rechtsextremistischen Positionen insbesondere seit 2015 verstärkt gelinge, „Brücken“ in die Gesellschaft zu errichten. Rechtsextreme würden bei polarisierenden Themen wie Islam, Migration und Flüchtlinge vermehrt Zuspruch aus der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft erhalten. Daraus entstehe etwas, was Dr. Busch eine “Mischszene” nennt: So erläuterte er am Beispiel von Pegida, wie sich das Bürgertum, bestehend aus größtenteils Politikverdrossenen und Rechtsextremen vermischen würden: Beide riefen gemeinsam zum Sturz des aktuellen Systems auf, die eine Seite jedoch, weil sie beispielsweise mit der Situation des lokalen Nahverkehrs nicht zufrieden sei, die andere, weil sie zumindest in Teilen das Grundgesetz ablehne.
Zusätzlich könne man bereits seit einigen Jahren einen Strategiewechsel in der Szene beobachten. Die sogenannte Neue Rechte beziehe sich nicht mehr auf den Nationalsozialismus und trete nach außen hin wesentlich gemäßigter auf, sodass es ihr leichter falle, an die Gesellschaft “anzudocken”. Hierbei würden die sozialen Netzwerke viel offensiver genutzt, was eine deutlich bessere und flexiblere Organisation und eine klar erweiterte Reichweite zur Folge habe. So könne jeder mit einem Internetzugang ohne jede Zeitverzögerung den Inhalten beispielsweise der "Identitären Bewegung" in den sozialen Netzwerken folgen. Für eine Radikalisierung brauche es keinen persönlichen Kontakt zur Szene mehr.
Auch die Darstellung nach Außen sowie die Art und Weise der Kommunikation habe sich geändert. Die neue Rechte publiziere medial mit hohem Aufwand und auf hohem Niveau. Die Inhalte von rechten Lifestyle-Magazinen seien nicht immer rechts oder zumindest nicht als solche zu erkennen. Zudem gehöre eine moderatere Sprache genauso dazu wie regelmäßige Medienevents, die den Anschein einer harmlosen politischen Bewegung erzeugen würden.
Davon könne die AfD aktuell profitieren: Gesellschaftspolitische Positionen, die noch vor wenigen Jahren als rechtsextrem verpönt waren, könnten nun durch die Partei vertreten werden. Dr. Busch zeigte dabei auf, dass die Problematik der Entgrenzung des Rechtsextremismus auch für den Verfassungsschutz in Bezug auf die AfD relevant sei: Der Verfassungsschutz würde einzelne Teile der Partei, wie etwa den rechtsnationalen Flügel oder regionale Ableger der Jungen Alternative, aufgrund rechtsextremistischer Bestrebungen als Verdachtsfall einstufen.
Für Dr. Busch besteht kein Zweifel daran, dass die AfD rechtsextremes Wählerpotential absorbiere, indem er einen Vertreter der Partei zitiert: „Die AfD ist dafür verantwortlich, dass die NPD nicht mehr gewählt wird.” Die Enttabuisierung vieler Themen und sprachlicher Ausdrucksweisen durch die neue Entgrenzung des Rechtsextremismus werde sich nicht so einfach umkehren lassen.
Im Anschluss an seinen Vortrag beantworte Dr. Busch zahlreiche Fragen aus dem Publikum. Hierbei betonte er, wie wichtig das Vertrauen der Bürger in den Verfassungsschutz sei, auch wenn es in den letzten Jahren immer wieder Probleme gegeben habe. Ein funktionierender Verfassungsschutz sei ein wichtiger Teil einer wehrhaften Demokratie.
(Norbert Grümme, Lehrer)
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