Schüler unternehmen eine Reise wider das Vergessen
28 Schüler des Hansa-Gymnasiums unternehmen im Rahmen der Projektwoche im Februar 2014 eine Studienreise nach Auschwitz und Krakau. Diese besondere einwöchige Fahrt wurde in den Wochen vorher intensiv durch Seminare inhaltlich vorbereitet. Norbert Grümme und David Neumann begleiten die Teilnehmer gemeinsam mit Anna Susdalzew auf den oft schwierigen Wegen. Lesen Sie hierzu den Essay der Schülerin Anna Weiß, die ihre Erfahrungen und Empfindungen formuliert hat.
"Erfahrungsbericht einer Studienreise nach Auschwitz"
Das erste, war wir von Auschwitz sahen, als wir im Bus durch die Dunkelheit fuhren, war der Stacheldraht, der sich in mehreren Reihen von Pfahl zu Pfahl zog, und der uns in den nächsten Tagen fast immer im Blickfeld sein würde. Dazwischen ließen sich schemenhaft einzelne Gebäude erkennen.
Zitat von Zalman Gradowski
Am nächsten Tag betrachteten wir diese von einer anderen Sichtweise. Wir waren im Stammlager, Auschwitz I. Unser Guide Gabriela zeigte uns das Lager, erklärte Strukturen, Tagesabläufe und Hintergrundinformationen zu den Ausstellungen, die in den einzelnen Backsteingebäuden eingerichtet worden waren. Über den Holocaust im Unterricht zu sprechen und gründlich aufzuarbeiten ist die eine Sache, den Ort, an dem er stattfand zu sehen, ist das andere. Die Stehzellen, in denen Häftlinge oft tagelang ohne Essen zur Strafe ausharren mussten, den Raum, in dem zum ersten Mal Zyklon B getestet wurde, zu sehen- es hilft einem mehr, diese Zeit zu begreifen, da die Methoden der Nationalsozialisten und das Leid der Menschen, die ihnen zum Opfer fielen, oft sehr abstrakt wirken, wenn man nur darüber spricht. Gabrielas Erklärungen und die Ausstellungen zeigten vor allem die Perspektive der Häftlinge. Die Wände einiger Flure sind gepflastert mit den Fotos von Häftlingen, welche nach ihrer Ankunft in dem Konzentrations- und Vernichtungslager in Auschwitz zur Erkennung von ihnen geschossen wurden. Viele von ihnen sehen verzweifelt in die Kamera, einige stolz, man liest, wie lange sie dort überlebten, manche zwei Jahre, manche zwei Tage.
Hinweisschild im Stammlager
Im Stammlager ging mir der Raum sehr nahe, in dem die Koffer der Häftlinge ausgestellt wurden, da ihre fein säuberlichen Beschriftungen noch die Hoffnung ihrer Besitzer zeigten, die zu dem Zeitpunkt noch daran glaubten, wieder lebend aus dem Lager zu kommen. Wirklich furchtbar war allerdings der Vorraum zu der Vergasungshalle. In dem kalten Gewölbe konnte man förmlich spüren, wie die Menschen sich aneinander drängelten und sich langsam bewusst wurden, dass hinter der nächsten Tür möglicherweise wirklich keine Duschräume waren. In diesem Raum ließen sich noch die kleinen Schraubenlöcher an den Decken erkennen, an denen die Duschköpfe zur Tarnung angebracht warn, um einen harmlosen Waschraum zu suggerieren, was zeigt, wie perfide gearbeitet wurde. Durch große Löcher an der Decke wurde das Zyklon B gekippt, so, dass keiner verschont bleibt. Die Stimmung in dem Raum ist furchtbar, auch in dem angrenzenden Krematorium.
Impression von der "Judenrampe"
Gegenüber dem Stammlager war Auschwitz-Birkenau, welches wir am nächsten Tag besuchten, um einiges härter. Zuerst gingen wir zur „Judenrampe“, welche außerhalb des Lagers liegt, und von da aus den Weg zu dem Lager, welchen auch die Häftlinge gehen mussten. Als das riesige Tor mit den zwei Flügeln im Nebel vor uns lag, wurden die meisten aus der Gruppe sehr ruhig. Die erste Station für uns war in Auschwitz Birkenau der große Wachturm. Von dort aus lässt sich das ganze Lager überblicken- aus der Sicht der Nazis, denn nur sie gingen die ausgetretenen Stufen hoch. In Birkenau wurde mir das Ausmaß des Holocausts erst vollkommen klar. Das Gelände ist unglaublich riesig, um viele Hektar größer als das Stammlager. Wir gingen die gleichen Wege wie die Häftlinge, zwischendurch über eine Viertelstunde über die holprigen, unbefestigten Lagerstraßen. Die primitiven Holzbaracken, in denen die Häftlinge wie Tiere zusammengepfercht waren, die Ascheseen, in denen ihre Überreste, welche sogar viel zu zahlreich für Massengräber waren, gekippt wurden, die Gebäude, in denen die Menschen rasiert und zu Nummern wurden, das alles ist nicht leicht aufzunehmen. Jedoch war die sehr gute Vorbereitung, welche im Voraus durch Referate und den Filmabend in unserer Schule stattfand, eine Hilfestellung für diese Fahrt, da wir überaus gut informiert waren und somit eine gute Basis für den Besuch in den Lagern hatten.
Teilnehmer der Projektfahrt
Auch auf den Krakau-Besuch waren wir sehr gut vorbereitet. Die vierstündige Stadttour war überaus spannend und aufschlussreich, vor allem das alte jüdische Krakau mit seinen Synagogen und dem jüdischen Friedhof sowie der Besuch der Ausstellung in der ehemaligen Schindler-Fabrik zeigten, wie assimiliert jüdische Bürger in Polen waren, bevor sie von den Nationalsozialisten in Ghettos gesperrt und deportiert wurden. Ein Tag länger in Krakau wäre allerdings schön gewesen, um die Stadt noch intensiver zu erkunden.
Diese Studienreise war eine sehr emotionale und aufschlussreiche Fahrt, die eine neue, andere Sichtweise auf den Holocaust und das jüdische Leben ermöglichte.
(Anna Weiß)
Großzügige Unterstützung durch Stiftung
Ein großer Dank gilt der Stiftung ERINNERN ERMÖGLICHEN, die diese als Busfahrt organisierte Studienfahrt finanziell unterstützt hat.